Hufrehe beim Pferd

Pferd steht auf der Weide mit vorgestreckten Vorderbeinen und weit unter den Schwerpunkt geschobene Hinterfüße
Typischer Hufrehestand: Vorgestreckte Vorderbeine und weit unter den Schwerpunkt geschobene Hinterfüße. Bildquelle: iStock

Für kaum eine Erkrankung wurden in den letzten Jahren so viele Ursachen verantwortlich gemacht wie für die Hufrehe: Lange Zeit galt Eiweiß als alleiniger Auslöser. Auch weitere Faktoren wie Endophythen, Getreide und Fruktan standen in Verdacht, die gefürchtete Huflederhautentzündung auszulösen. Heute beschreibt man nun die Ursachen mit dem schönen Wort "multifaktoriell". Das bedeutet, es gibt verschiedene Auslöser und Risikofaktoren, die die Entstehung einer Hufrehe begünstigen. Diesen wollen wir uns im Rahmen unseres Fachbeitrages genauer widmen.

Klettverschluss im Huf

Bei einem gesunden Pferd ist das Hufbein in der Hornkapsel aufgehängt. Die Verbindung zwischen der Lederhaut, die das Hufbein überzieht, und der Hornkapsel funktioniert ähnlich wie ein Klettverschluss: Beide Komponenten bilden Lamellen, die ineinandergreifen und so eine belastbare Verbindung bilden.

Bei einer Hufrehe kommt es zu einer Entzündung der Lederhaut mit daraus resultierendem schlechteren Halt des Hufbeintrageapparates. Ähnlich wie ein nicht mehr funktionstüchtiger Klettverschluss wird die Verbindung weniger haltbar. Durch das Gewicht des Pferdes kann das Hufbein absinken.

Der Zug an der tiefen Beugesehne kann zu einer Hufbeinrotation führen. In Extremfällen kommt es zum Ausschuhen oder zum Durchbruch des Hufbeins an der Hufsohle.

Symptome

  • Vorgestreckte Vorderbeine und weit unter den Schwerpunkt geschobene Hinterfüße
  • Klammes Gangbild, Trachtenfußung
  • Trippeln (abwechselnde Belastung betroffener Gliedmaßen)
  • Erhöhte Puls- und Atemfrequenz
  • Pulsation der Mittelfußarterie
  • Muskelzittern, Schwitzen
  • Erhöhte Körpertemperatur

Risikofaktoren und Auslöser

  • Übergewicht/EMS
  • Cushing
  • Giftpflanzen (z.B. Eibe)
  • Medikamente (z.B. Cortison)
  • Nachgeburtsverhalten
  • Überlastung eines Beins z.B. bei einer Verletzung am gegenüberliegenden Bein
  • Umschichtung der Darmflora
  • Plötzliche Futterumstellung (Anweiden)
  • Zu viel Stärke, Zucker oder Fett
  • Präbiotika (z.B. Fruktane)
  • Darminfektion (z.B. Salmonellen)

Risikofaktor Übergewicht

Fett ist nicht nur eine Speicherform von im Übermaß aufgenommener Energie, sondern auch ein endokrines Organ. Das bedeutet, im Fettgewebe werden Hormone gebildet. Zusätzlich kommt es durch die extreme Fetteinlagerung zu "Stress" im Fettgewebe und dadurch zu einer dauerhaften leichten Entzündungsreaktion. Die Folge ist ein fehlendes Sättigungsgefühl, langsame Wundheilung, Infektanfälligkeit und die gefürchtete Insulinresistenz.

Ähnlich wie beim Typ-II-Diabetes des Menschen reagieren die Zellen schlechter auf Insulin und nehmen somit auch weniger Glucose auf. Eine Zeit lang lässt sich dieser Zustand durch mehr Insulin noch ausgleichen, irgendwann reagieren die Zellen aber so wenig auf Insulin, dass der Blutzuckerspiegel bei erhöhtem Insulinspiegel immer noch erhöht ist. In diesem Fall bleibt der aufgenommene Zucker schlicht außerhalb der Zellen, in welchen die Energiegewinnung stattfindet. Dadurch kann es zu einer Minderversorgung der Zellen im Huf kommen und somit zur Hufrehe. Außerdem sind übergewichtige Pferde sehr viel anfälliger für Hufrehe durch jegliche weiteren Auslöser (Stichwort Multifaktorialität). Es genügt in manchen Fällen schon eine geringere Umschichtung der Darmflora (siehe unten), um in eine Hufrehe zu rutschen als bei einem normalgewichtigen Pferd. Typische Regionen für die Fetteinlagerungen sind beim Pferd: Mähnenkamm, Schweifansatz und Kruppe. Ob ein Pferd Übergewicht hat, lässt sich anhand des Body-Condition-Scores (BCS) oder Nackenkamm-Scores leicht feststellen. Ein Video zur Durchführung des BCS finden Sie in unserer Infothek (https://www.iwest.de/infothek.html)

Aber Achtung!

In einem Hufreheschub darf ein Pferd weder auf Diät gesetzt noch bewegt werden. Es besteht die Gefahr, dass zu viel Fett abgebaut wird und auf einmal ins Blut gelangt oder die Darmflora sich umschichtet. Getreidehaltiges Kraftfutter sollte allerdings sofort abgesetzt werden.

Diät heißt zunächst einmal Verzicht auf jedes nicht notwendige Futter (z.B. Leckerli und Kraftfutter). Heu ist für Pferde als Beschäftigung und als Rohfaserlieferant für die Darmflora lebensnotwendig. Eine zu starke Reduzierung hat z.B. eine Darmfloraumschichtung und gegebenenfalls Magengeschwüre zur Folge. Kraftfutter dagegen enthält in der Regel Fett und leicht verdauliche Kohlenhydrate und soll bei wenig Masse viel Energie liefern. Pferde fressen Kraftfutter im Vergleich mit Heu schnell und sind somit weniger beschäftigt, außerdem kauen sie weniger.

Der Pferdespeichel enthält puffernde Substanzen und ist daher für die Magengesundheit wichtig. Wenn sich ein Pferd bei der Fütterung seiner Nachbarn aufregt, ist eine Karotte pro Mahlzeit oder eine Handvoll (!) energiearmes Krippenfutter (bitte ohne Luzernehäcksel) eine mögliche Lösung. Bei reduzierter Heumenge kann allerdings die Eiweißversorgung sowie die Versorgung mit Mineralien und Vitaminen knapp werden. In diesem Fall empfiehlt sich ein hochwertiges Mineralfutter wie unser Magnolythe® S100 sowie eine Eiweißergänzung wie unser Magnovital®. Die in Magnovital® enthaltene Spirulinaalge wirkt sich zudem nachweislich positiv auf eine Insulinresistenz aus. Weidegang sollte aufgrund des Energie- und Zuckergehalts kritisch durchdacht werden.

Beispieldiätration: 1,5 kg Heu je 100 kg KGW + 15 g Magnolythe® S100 je 100 kg KGW + 10 g Magnovital® je 100 kg KGW

Risikofaktor Cushing

Cushing ist eine Hormonstörung, bei der eine Hirndrüse mehr Hormone bildet als physiologisch eigentlich vorgesehen. Eines dieser Hormone ist ACTH, welches zum Nachweis der Erkrankung verwendet wird. Alle Hormone zusammen führen zum klinischen Bild des Cushing.

Betroffene Pferde können z.B. ein welliges längeres Haarkleid und einen verzögerten Fellwechsel zeigen. Weiterhin können Störungen im Glukose-Insulin-Stoffwechsel, viel Trinken und Wasserlassen, Leistungsschwäche, Muskelschwund, Fettumverteilung, Anfälligkeit für Magengeschwüre, Infektanfälligkeit und Hufreheschübe auftreten.

Die übermäßige Hormonproduktion lässt sich durch den Wirkstoff Pergolid (Arzneistoff) regulieren, wodurch auch die Symptome des Cushing deutlich gemindert werden können.

Aufgrund einer möglichen Störung im Glukose-Insulin-Stoffwechsel ist eine stärke- und zuckerreduzierte Rationierung sinnvoll. Dennoch dürfen betroffene Pferde weder zu dünn noch zu dick werden. Die Ration muss an die Situation des jeweiligen Pferdes angepasst sein. Eine Eiweißergänzung sowie Zink und Vitamin E wirken sich positiv aus.

Risikofaktor Vergiftung

Vergiftungen durch Pflanzen, wie z.B. Eibe oder Robinie, schimmeliges Futter und weitere Vergiftungsquellen können ebenfalls zur Hufrehe führen.

Risikofaktor Medikamente

Auch Medikamente, wie z.B. Cortison sind in der Lage eine Hufrehe zu verursachen.

Risikofaktor Nachgeburtsverhalten

Bleibt ein Stück der Nachgeburt in der Gebärmutter, werden Toxine frei. Diese Toxine können unter anderem Hufrehe auslösen.

Risikofaktor Belastung

Pferde, die Schmerzen an einer Gliedmaße haben (z.B. Sehnenschaden, Einschuss oder Knochenbruch) und über einen längeren Zeitraum das betroffene Bein wenig belasten, beanspruchen automatisch das gegenüberliegende Bein vermehrt, was zu einer Belastungsrehe führen kann.

Risikofaktor Darmfloraumschichtung (Endotoxine)

Die häufigste Ursache einer Hufrehe ist eine Vergiftung durch Endotoxine.

Kurz zum Hintergrund: Mit jeder Futterumstellung ändert sich die Darmflora, Teile der Flora sterben ab und andere Keime vermehren sich in Abhängigkeit vom aufgenommenen Futter. Wichtig zu erwähnen ist, dass es sich hier um einen normalen Vorgang handelt. Was sich nun aber so harmlos anhört, ist in Wirklichkeit evtl. ein billionenfaches Massensterben mit Freisetzung von "Leichengiften". In den Zellwänden der gramnegativen Dickdarmmikroben befinden sich sogenannte Lipopolysaccharide, die – beim Absterben freigesetzt – als Endotoxine den Darm und damit den Organismus schlagartig mit Gift überschwemmen und somit Gesundheitsstörungen wie z.B. Durchfälle, Koliken, Leberschäden, aber auch Hufrehe, auslösen können. Auch die Haut ist von diesen Endotoxinen betroffen: Als Ausscheidungsorgan können Hautirritationen, verstärktes Sommerekzem oder Anfälligkeit für Mauke die Folge sein.

Das Hauptnahrungsmittel unserer Pferde ist Heu. Heu ist zwar immer getrocknetes Gras, aber schon ein Griff mit der Hand zeigt erhebliche Unterschiede. Manches Heu enthält lange Halme mit einer holzigen Struktur, anderes sehr kurze Blätter, die sich eher wollig anfühlen. Nicht nur uns fallen diese Unterschiede auf, für die Bakterien im Darm der Pferde bedeuten Veränderungen der Rohfaserqualitäten eine riesige Ernährungsumstellung, wobei sich die Darmflora an die neuen Fasern anpassen muss.

Zucker, wie z.B. Stärke oder Fett sollte beim Pferd im Dünndarm aufgenommen werden. Wird eine zu große Menge auf einmal gefüttert oder Getreide mit schwer im Dünndarm verdaulicher Stärke, wie z.B. Mais, gelangen die Nährstoffe über den Dünndarm hinaus in den Dickdarm. Dort führen sie zu einem veränderten Nahrungsangebot für die Dickdarmflora und somit zur Darmfloraumschichtung. Daher führt das Ausräumen einer Haferkiste auch oftmals zur Hufrehe.

Risikofaktor Futterumstellung/Anweiden

Junges Gras ist eiweiß- und damit stickstoffreich, was zu einer erhöhten Bildung von Ammoniak im Dickdarm führt. Ammoniak verändert den Dickdarm pH-Wert, was wiederum eine Änderung der Dickdarmflora bedingt. Dennoch löst man mit großen Mengen Eiweiß eher einen Nierenschaden als eine Hufrehe aus. Junges Gras ist aber (wie auch das Herbstgras) zusätzlich sehr fruktanreich. Fruktan ist eine Zuckerart, die dem Gras als Speicher für Energie dient. Fruktan kann im Dünndarm nicht verdaut werden, sondern wird ausschließlich durch Bakterien im Dickdarm abgebaut (Präbiotikum). Damit ändert sich auch mit der erhöhten Fruktanaufnahme die Dickdarmflora. Die Darmflora kommt beim Anweiden sozusagen von zwei Seiten unter Druck: Ein Teil der Keime stirbt ab, andere werden durch die Futterumstellung und zusätzlich durch Fruktan zu überschießendem Wachstum angeregt.

Wie Sie Ihre Pferde dennoch sicher Anweiden können und auch wie das Wetter, die Düngung und die Grasarten auf den Koppeln den Fruktangehalt beeinflussen, erfahren Sie in unserem Fach-Artikel Veronika, der Lenz ist da – jetzt richtig Anweiden.

Therapie

Die traurige Nachricht ist: Leider gibt es im Moment keine Therapie, um eine Hufrehe zu heilen. Jegliche Medikamente im akuten Fall dienen nur dazu die Symptome zu lindern.

Die beste Therapie einer Hufrehe ist, sie erst gar nicht zu verursachen. Das bedeutet in erster Linie eine individuell angepasste Fütterung und ein gutes Management rund ums Pferd.

Darunter fällt unter anderem:

  • Übergewichtige Pferde rechtzeitig abspecken
  • Kraftfuttermengen kritisch durchdenken
  • Cushing behandeln
  • Vergiftungsrisiken identifizieren und verhindern
  • Medikamentengaben mit Bedacht durchführen
  • Bei jeder Geburt die Nachgeburt kontrollieren und wenn nötig schnell reagieren
  • Futterumstellungen vorsichtig vornehmen (insbesondere bei Gras und Heu)
  • Weidemanagement (Überweiden vermeiden, düngen, ggf. wässern)

Sofortmaßnahmen bei Hufrehe

  • Hufe kühlen
  • Tierarzt rufen
  • Box tief einstreuen
  • Pferd möglichst nicht mehr bewegen
  • Auf getreidehaltiges Kraftfutter / Leckerli verzichten
  • Heumenge nicht reduzieren bis der Hufreheschub überstanden ist
  • Erst nach dem Hufreheschub ggf. mit einer Diät beginnen

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