Weide für Pferde: Mehr als nur Auslauf

Pferde anweiden
Gras ist ein schmackhaftes, energie- und proteinreiches Futter für Pferde.

Gras ist sowohl ein gehaltvolles wie auch überaus schmackhaftes Futter für Pferde. Auf der Koppel bewegen sich Pferde in der Regel nicht nur, sie fressen auch Gras. Frisst ein Pferd auf der Koppel zusätzlich zu seinem im Winter üblichen Grundfutter Gras und wird genauso viel bewegt wie im Winter, wird es zwangsläufig zunehmen. Daher sollte die Fütterung beim Weidegang an die zusätzliche Grasaufnahme angepasst werden. Die Umstellung von Heu auf frisches (junges) Gras bedeutet für den Verdauungstrakt eine erhebliche Umstellung. Um Verdauungsbeschwerden wie Kotwasser, Durchfall, im schlimmsten Fall Koliken und auch angelaufene Beine sowie Hufrehe zu vermeiden, müssen Pferde deshalb vorsichtig angeweidet werden.

Energie- und Proteingehalt

Gras ist für Pferde sehr schmackhaft. Deshalb nehmen Pferde in kurzer Zeit teilweise viel Gras auf. Gras enthält zwar 75-80 % Wasser, aber auch viel Energie und Protein.

Die gute Nachricht ist: Pferde, die auf einer ausreichend bewachsenen Koppel stehen, sind in der Regel gut mit Protein bzw. allen essenziellen Aminosäuren versorgt, abgesehen von Mineralien.

Die mehr oder weniger gute Nachricht ist: Nimmt ein Pferd Gras zusätzlich zu seiner normalen Fütterung auf, wird es zunehmen, denn Gras ist auch energiereich. Bei Pferden mit optimalem oder gar Übergewicht sollte daher unbedingt die Grundfütterung an den Weidegang angepasst werden.

Futterabzug bei Weidegang

Wie viel Futter abgezogen werden muss, ist abhängig von der aufgenommenen Grasmenge. Diese ist leider schwer zu schätzen und hängt von folgenden Faktoren ab:

  1. der Zeitdauer des Weideaufenthaltes
  2. der Größe der Fläche
  3. der Art und Dichte des Bewuchses
  4. der Jahreszeit, z. B. wächst das Gras im Mai und Juni extrem schnell, im Oktober/November nur noch gering
  5. dem individuellen Fressverhalten Ihres Pferdes

Grundsätzlich muss auf den Körperzustand und das Leistungsverhalten des Pferdes geachtet und entsprechend Futter abgezogen werden. Im Herbst, wenn weniger Bewuchs auf der Weide ist, muss andersherum das Grundfutter auch zeitnah wieder erhöht werden. Das klingt schwierig, und in der Tat muss der individuelle Ernährungszustand im Blick behalten werden, doch es gibt recht brauchbare Anhaltspunkte, wie viel Futter ungefähr abgezogen/ergänzt werden sollte, damit ein Pferd erst gar nicht zu dick bzw. zu dünn wird.

4 Kilogramm Gras ersetzen ungefähr 1 kg Heu oder 500 g Hafer

 

Bei der Verteilung des Raufutters (= Heu oder bei langem Weidegang/leichtfuttrigen Pferden auch Stroh) sollte darauf geachtet werden, dass möglichst keine Fresspausen über vier Stunden entstehen.

Anhand folgender Tabellen können Sie die Grasaufnahme Ihres Pferdes grob schätzen. Mit Hilfe der geschätzten Grasaufnahme können Sie dann errechnen, wie viel Heu oder Kraftfutter weggelassen werden kann. Tabellen 1 und 2 zeigen dazu die geschätzte Grasaufnahme pro Stunde bei entsprechend angegebener Weidezeit und Körpergewicht. Tabelle 1 unterstellt eine Weide mit wenig Bewuchs (< 5 cm), mit Hilfe von Tabelle 2 können Sie die Grasaufnahme Ihres Pferdes auf reichhaltigen Weiden (> 10 cm Aufwuchs) schätzen.

Tabelle 1: Aufwuchs rund 5 cm

Gewicht Pferd1 Std.3 Std.6 Std.12 Std.24 Std.
200 kg2,7 kg2,2 kg1,7 kg1,1 kg1,1 kg
400 kg3,8 kg3,0 kg2,6 kg1,8 kg1,8 kg
600 kg4,2 kg3,5 kg3,0 kg2,5 kg2,5 kg

 

Tabelle 2: Aufwuchs 10 cm und mehr, guter Bewuchs

Gewicht Pferd1 Std.3 Std.6 Std.12 Std.24 Std.
200 kg4,5 kg3,6 kg3,0 kg2,5 kg1,1 kg
400 kg6,0 kg4,6 kg4,2 kg3,5 kg2,3 kg
600 kg8,0 kg5,8 kg5,2 kg4,7 kg3,5 kg

 

Und so gehen Sie zur Berechnung vor:

1. Schätzung der Grasaufnahme auf der Weide in kg

a. Auswahl der richtigen Tabelle: Tabelle 1 (wenig Bewuchs), Tabelle 2 (viel Bewuchs)

b. Ablesen der Grasaufnahme pro Stunde anhand der Weidezeit (Stunden täglich) und dem Körpergewicht Ihres Pferdes

c. Berechnung der täglichen Grasaufnahme: ergibt sich aus geschätzter Grasaufnahme pro Stunde (aus Tabelle abgelesen) multipliziert mit der täglichen Weidezeit in Stunden

2. Umrechnung der geschätzten Grasaufnahme: wie viel Heu entspricht der kalkulierten Grasaufnahme

3. Neue Tagesfuttermenge errechnen: von Ihrer bisherigen (Winter-)Heuration oder Haferration ziehen Sie die Menge ab, die Sie errechnet haben aus der Grasaufnahmeschätzung

Beispiel 1

Darf ein Pferd (600 kg) 3 Stunden auf eine Koppel mit über 10 cm Aufwuchs (Tab. 2), nimmt es ungefähr 5,8 kg x 3 (Stunden) = 17,4 kg Gras auf.

Sie wissen aus unserem Text, dass 4 Kilogramm Gras folgende Futtermengen ersetzen:

4 kg Gras = 1 kg Heu oder 500 g Hafer.

Damit entsprechen 17,4 kg Gras großzügig gerundet ca. 4 kg Heu oder 2 kg Hafer.

Damit das Pferd trotz Koppelgenuss nicht zunimmt, können je nach vorheriger Grundfütterung beispielsweise folgende Futtermengen abgezogen werden, um die aufgenommene Grasmenge auszugleichen:

4 kg Heu oder 2 kg Hafer oder 2 kg Heu und 1 kg Hafer.

Bekam das Pferd im Winter 12 kg Heu und darf unter diesen Bedingungen 3 Stunden auf eine üppige Weide, reichen am Ende des Tages zusätzlich rund 8 kg Heu im Stall aus.

Bekam das Pferd im Winter 12 kg Heu und 2 kg Hafer, sollte diese Fütterung bei zusätzlichem Koppelgang z. B. auf 10 kg Heu und 1 kg Hafer reduziert werden.

Beispiel 2

Darf ein Pferd von 400 Kilogramm 12 Stunden auf eine Koppel mit über 10 cm Aufwuchs (Tab. 2) nimmt es ungefähr 3,5 kg x 12 (Stunden) = 42 kg Gras auf. Damit wäre der Energiebedarf für die meisten Pferde bereits gedeckt.

Um kein Übergewicht zu provozieren, bedeutet das, dass unserem Beispielpferd außerhalb der Weidezeit nur noch Stroh (kaufähig, aber energiearm) zur Verfügung stehen sollte.

Die Entwicklung der Figur unserer Beispielpferde muss über die Koppelsaison dennoch kritisch im Auge behalten werden.

Wieso Anweiden?

Pferde vertragen abrupte Futterwechsel einfach schlecht. Warum? Mit jeder Futterumstellung ändert sich die Darmflora (Bakterien und weitere Mikroorganismen), Teile sterben ab, andere Keime vermehren sich in Abhängigkeit vom aufgenommenen Futter. Heu ist zwar getrocknetes Gras, aber schon ein Griff mit der Hand zeigt erhebliche Unterschiede zwischen dem langen, rauen Gras bei der Heuernte zum jungen weichen Gras im Wachstum. Junges Gras ist proteinreich und das Endprodukt des Proteinabbaus im Körper ist Ammoniak (das von der Leber in den ungiftigen Harnstoff umgewandelt werden muss), der den pH-Wert im Dickdarm ansteigen lässt und damit die Lebensbedingungen für die Darmkeime massiv ändert. Junges Gras ist zudem auch sehr zuckerreich (sowohl an im Dünndarm verdaulichen Zuckern wie auch an nur im Dickdarm verdaulichem Zucker, wie Fruktan), d. h. die Darmflora wird beim Übergang von reiner Stallfütterung auf Gras von zwei Seiten in die Zange genommen: Es ändert sich der pH-Wert und damit das Umgebungsmilieu für die Keime, was die Darmflora ändert, und zudem kommt es zu größerer Floraumschichtung aufgrund des nur im Dickdarm abbaubaren Fruktans. Dazu kommt sozusagen als „Sahnehäubchen“ dann noch die Strukturänderung vom groben Heu auf das weiche Frühjahrsgras.

Jede zu schnelle Änderung der Darmflora birgt ein Risiko für Verdauungsbeschwerden (z. B. Kolik, Kotwasser, Blähungen, Durchfall) und Hufrehe, denn je schneller sich die Darmflora ändert, desto mehr Giftstoffe werden aus absterbenden Bakterien frei.

Regeln für das Anweiden

  1. Weidezeiten über einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen schrittweise verlängern bis ganztägiger Weidegang erfolgen kann.
  2. Beginnen mit zehnminütigem Weidegang (evtl. nur Grasen an der Hand) für eine Woche.
  3. Danach kann die Weidezeit beispielsweise in der ersten Woche jeden Tag um 5 Minuten, in der zweiten Woche jeden Tag um 10 Minuten und in der dritten Woche jeden Tag um 20 Minuten gesteigert werden.
  4. Damit wäre man nach vier Wochen bei viereinhalb Stunden Koppel und 25 kg Gras angelangt.
  5. Pferde, die angeweidet waren, aber aus irgendwelchen Gründen über einen längeren Zeitraum von etlichen Tagen oder gar Wochen nicht mehr auf der Weide waren, müssen erneut angeweidet werden.
  6. Über die gesamte Weidezeit den Kot kontrollieren. Bei dünner werdendem Kot, Geruchsauffälligkeiten, Auftreten von Kotwasser/Durchfall Weidezeit sofort wieder verkürzen.
  7. Immer: vor dem Weidegang kein Kraftfutter füttern, aber den Pferden morgens Zeit für ausreichende Heuaufnahme geben (mindestens eine Stunde).
  8. Bei bekanntermaßen empfindlichen Pferden (z. B. Hufrehe, Lederhautentzündung, Kolik etc. in der Vorgeschichte) kann man zusätzlich zu den oben genannten Vorsichtsmaßnahmen Magnozym® füttern. Weidegang sollte für empfindliche Pferde aber grundsätzlich kritisch überdacht werden.

  9. In der Anweidephase sollte bei allen Pferden die je nach Witterung wechselnden Fruktangehalte des Grases berücksichtigt werden, bei empfindlichen Pferden ist dies ganzjährig ein Muss.

Fruktan

Was ist eigentlich Fruktan? Ganz einfach: eine Zuckerart. Jeder kennt z. B. Glucose (Traubenzucker), Saccharose (Rohrzucker und unser Haushaltszucker), Fructose (Fruchtzucker). Weniger bekannt sind die Speicherformen von Zucker: Gräser wandeln überschüssige Energie in ihre eigene Speicherform von Zucker um: in Fruktan (Fructosan). Fruktan kann nicht vom Darm selber, sondern nur von der Darmflora im Dickdarm verdaut werden, Fruktan verändert also die Darmflora.

Wie viel Fruktan gebildet wird, bestimmt die Art der Gräser, die Nährstoffe im Boden, die Umgebungstemperatur und die Sonneneinstrahlung. Gräserarten wie Wiesenschwingel und insbesondere Deutsches Weidelgras bilden viel Fruktan, der Wiesenfuchsschwanz und der Rotschwingel dagegen wenig. Nun ist nicht jeder Pferdehalter Botaniker und kann somit problemlos die prozentuale Verteilung der Gräserarten auf seiner Pferdeweide bestimmen (und kaum jemand hat zudem die Möglichkeit, die Weiden umzubrechen und neu anzusäen), und in der Praxis ist es auch für die meisten von uns schwer möglich, die Pferde nur noch strikt nach Thermometer und Sonnenlicht auf die Weide zu lassen. Für darmempfindliche und rehegefährdete Pferde sollte aber zumindest bei extrem hohen Fruktanwerten über die Länge und den Zeitpunkt des Koppelgangs nachgedacht werden.

Am gefährlichsten sind sonnige Tage nach kalten Nächten, sowie trockene Phasen im Frühjahr und Sommer. Im April/Mai sind die Fruktangehalte am höchsten, sinken dann bis Juli ab, um im Herbst wieder deutlich anzusteigen mit neuen Höchstwerten im Oktober und November. Hintergrund dafür ist, dass der Speicherzucker der Pflanze, das Fruktan, nur im Wachstum abgebaut wird und das Graswachstum wiederum von der Temperatur abhängt. Bei Temperaturen unter 9 Grad ist das Wachstum eingestellt, d. h. Fruktan wird vom Gras nicht für Wachstum verbraucht und reichert sich an. Sonnige Tage und kühle Nächte lassen den Fruktangehalt in den Gräsern ansteigen. Ebenso steigt der Fruktangehalt bei Stress für die Pflanze, wie starker Verbiss und Trockenheit. An sonnigen warmen Tagen steigt der Fruktangehalt im Laufe des Tages.

Auch ohne Nährstoffe kann Gras nicht wachsen. Was dem Boden an Nährstoffen entzogen wird, müssen wir ihm durch Düngung zurückgeben. Gras von ungedüngten Flächen hat einen höheren Fruktangehalt als von gedüngten. Einen geeigneten Dünger finden Sie am besten mit Hilfe eines Labors, bei dem Sie eine Bodenprobe Ihrer Weidefläche analysieren lassen. Diese Labore können Ihnen dann eine Düngeempfehlung geben.

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